Sonntag, 25. November 2012

Somerville - New York City - 100 km - Tag 71

Heute war es soweit. Ein letztes Mal beim Frühstück so viel in sich hineinschaufeln wie geht. Ein letztes Mal in die Radhose und den Helm auf. Auch ein letztes Mal die Regenjacke anziehen. Denn nachdem ich ja seit ich in Huntington losgefahren war und ziemlich viel Glück mit dem Wetter gehabt hatte, war für den heutigen Tag noch einmal Regen angekündigt. Als ich das Motel verließ, fielen einige dünne Regentropfen vom Himmel. Es schien so, als wäre es auszuhalten.

Für den heutigen Tag hatte ich mein Garmin GPS wieder reaktiviert, was ich jetzt wochenlang irgendwo in den Packtaschen durch die Gegend gefahren hatte, ohne es zu benutzen. In der Regel war die Navigation einfach, viele Abzweigungen hatte es bei den meisten Etappen nicht gegeben. Das sollte sich heute grundlegend ändern. Die von Google vorgeschlagene Route sah insgesamt 111(!) Abzweigungen vor. Das hätte ich mir nicht merken können und habe die Route deshalb via Bikeroutetoaster nochmal manuell neu erstellt (die direkte Übertragung von Google Maps auf das Garmin schein nicht so ohne Weiteres machbar zu sein) und auf das Garmin rübergezogen. Ich habe schon vom Start weg gemerkt, dass sich das gelohnt hatte. Hier fing im Grunde der Verdichtungsraum New York schon an und die Gefahr wäre schon da gewesen, sich irgendwo im Straßengewirr zu verlieren.

Der Regen wurde mal stärker, mal schwächer, hörte aber nie ganz auf. Die neue Regenjacke erledigte ihren Job prima. Anfangs bin ich noch durch normale Wohngegenden gefahren. Umso östlicher ich aber kam, desto "großstätischer" wurde die Umgebung und der Verkehr nahm zu. Da ich praktisch die ganze Zeit durch die Stadt gefahren bin, hatte ich unterdessen überhaupt kein Gefühl, wo ich eigentlich war und wie weit es noch sein würde. Ich bin einfach der Linie auf dem GPS-Display gefolgt. Ich wollte einfach ankommen.

Irgendwann habe ich dann aber an der Beschriftung der Straßen und an anderen Schildern gemerkt, dass ich mittlerweile in Newark angekommen war. Ich musste wohl schon bald nach Jersey City kommen. Es ging eine ganze Weile durch unfassbar hässliche Industriegebiete mit Autobahnen, Unterführungen und Brücken. Ich kam mir vor, als würde ich durch einen Schwarz-Weiss-Film fahren, so grau war es. Da kam der Regen dazu, so wie auch die irre Lautstärke des Verkehrs und speziell der Lastwagen. Man kennt das ja auch von unseren Straßen: das Wasser unter den Reifen verstärkt irgendwie das Geräusch der Reibung.  Ich bin dann durch eine Unterführung durch auf eine unfassbar schlechte Straße abgebogen. Die war so schlecht, da hätten Fußgänger ihre Probleme gehabt. Aber in diesem Moment war es so weit: Ich konnte am Horizont zum ersten Mal das Empire State Building sehen. Gänsehaut.

Ich war dann bald in New Jersey angekommen und fand den Radweg, der am Hudson River entlang führt. Vorbei an teuren Apartmentgebäuden bin ich ganz weit in den Norden gefahren. Dies war nötig, denn die George Washington Bridge im Norden Manhattans ist die einzige, die für Radfahrer frei ist. Es gibt sonst keine andere Möglichkeit, da rüber zu kommen. Das hat sich ganz schön gezogen und ich bin noch eine ganze weile nach Norden geradelt. Bevor ich dann auf die Brücke konnte, musste ich dann noch einen letzten, ganz schön steilen, Hügel hoch.

Die Brücke hat, wie jede andere Brücke, zwei Seiten. Hier ist aber immer nur jeweils eine Seite geöffnet. Ich bin durchs offene Tor der Südseite gefahren und passierte ein Polizeiauto. Die Polizisten pfiffen mich umgehend zurück. Wo ich denn hin wollte, die Seite sei geschlossen!? Ich sagte dass doch das Tor offen sei. Das wollten sie mir nicht glauben. Ich fragte sie dann wie ich sonst reingekommen sein sollte!? Ich bin also umgedreht um die Seite zu wechseln. Die beiden hinter mir her. Dummerweise war das Tor dann wirklich zu. Ich machte Ihnen klar, dass ich nicht geflogen sein konnte. Das sahen sie ein und ließen sie mich raus.

Die Amerikaner müssen, was Radwege angeht, noch viel lernen. Ich musste, bevor ich auf den Radweg konnte, mein Rad erst mal eine enge Treppe hoch tragen. Dann wieder runter. Dann wieder hoch. Dann war ich auf der Brücke. Auf der anderen Seite das selbe Spiel.

Nun war ich also in Manhattan angekommen und sah zu, dass ich den Radweg fand, der nun auf der anderen Seite des Hudson wieder nach Süden runter führt. Der Radweg würde mich fast bis zur Brooklyn Bridge, meinem Ziel führen. Ich hatte mich zuerst ein bisschen verfranzt und war auf einem parallelen (und schlechten) Fuß- und Radweg unterwegs. Auf den "richtigen" Radweg konnte ich nicht wechseln, weil zwischen den beiden Amtrak-Schienen verliefen. Ich musste als auf der Buckelpiste weiterfahren und befürchten, dass ich meine Taschen verliere. Irgendwann gab es eine Lücke und ich konnte auf den Radweg wechseln. War es eben noch eine Tortur gewesen, befuhr ich jetzt sozusagen eine Fahrrad-Autobahn. Ganz glatter Asphalt und wenig Verkehr. Zudem hatte der Regen endlich aufgehört und ich konnte die Plastiktüten, in die ich meine Füße gesteckt hatte, um trocken zu bleiben, endlich abnehmen.

Ab da war es einfach. Immer geradeaus und irgendwann links abbiegen. Ich bin dann ein paar Straßen nach Osten. Dann kam eine kleine Grünanlage. Die kannte ich von den vorherigen Besuchen der Stadt und wusste, dass es nun nur noch ein paar Meter waren. Noch über eine Straße und ich war da. Ich bekomme Gänsehaut in dem Moment wie ich das hier schreibe. Ich kam also nach so vielen Kilometern auf der Brücke an, konnte aber nicht wirklich realisieren, dass ich nun am Ziel war.

Auf der Brücke war nicht viel los. Ein französisches Pärchen erklärte sich bereit ein Bild von mir zu machen was aber leider nichts geworden ist. Ich hatte dann keine Lust mehr noch jemanden anderes zu fragen also habe ich selbst ein Bild gemacht.




Ich habe mich dann nicht viel länger auf der Brücke aufgehalten, weil es dann wirklich kalt wurde. Mit dem langsam aufsteigenden Gefühl es wirklich geschafft zu haben, habe ich mich dann auf  den Weg ins Hostel gemacht.

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